Es weihnachtet sehr

Am 9. Dezember 2022 fand unser traditionelles Advents-Café statt.

Die Bewohner*innen, Mitarbeiter*innen, Freund*innen und Angehörige genossen den schönen Nachmittag bei selbstgebackenem Kuchen, netten Gesprächen und dem gemeinsamen Singen von Weihnachtsliedern.

Frau Sonja Alex las eine selbstgeschriebene (!) Weihnachtsgeschichte vom „Esel im Stall“ vor. Mit staunender und berührender Aufmerksamkeit wurde der Geschichte gelauscht.

Das war ein besonderer Moment an diesem Nachmittag, der einen schönen Nachklang hatte. Die Geschichte kann an dieser Stelle gelesen werden.

Viel Spaß dabei wünscht die Außenwohngruppe „Am Mesterkamp“

Der Esel im Stall (Eine Weihnachtsgeschichte)

Der Esel schreckte aus dem Schlaf auf. Es zog im Stall und eine Fackel blendete ihn.

„Kann man denn nicht einmal nachts seine Ruhe haben“ brummelte er, „tagsüber muss ich Lasten schleppen, dass sich mir das Kreuz nur so biegt, und jetzt so etwas!!!“

„Ach sei doch still!“ murmelte der Ochse, sein Stallgenosse, „die tun dir doch nichts!“

Als der Esel sich den Schlaf aus den Augen geblinzelt hatte, sah er, dass ein Mann und eine Frau mit einem kleinen Bündel in den Stall gekommen waren.

Beide waren dick vermummt gegen die Kälte der Wüstennacht und freuten sich, wenigstens die Wärme des Stalls genießen zu können.

Der Mann blickte suchend um sich, kam zu dem Esel und fand dessen Krippe. „Das gibt eine gute Kinderwiege ab“, dachte er bei sich.

Als er sie aber nehmen und seiner Frau bringen wollte, protestieren der Esel mit lautem Geschrei: „He, was soll das? Erst weckt ihr mich mitten in der Nacht, und nun soll ich hier auch noch hungern! I – Ahh!!!“

Der Mann zuckte erschrocken zurück, sagte aber dann zu dem Esel: „Du guter Esel, ich will dir nichts Böses, aber mein kleiner Sohn braucht eine Wiege. Es ist nur für ein paar Stunden, dann bekommst du deine Krippe wieder.“

Zögernd neigten sich des Esels zurückgelegte Ohren nach vorn, denn der Mann hatte die Worte des Esels natürlich nicht verstanden und sah nur die Unruhe des Tieres. Er ließ den Mann gewähren, denn eigentlich war der Esel ein guter Kerl, aber etwas störrisch und eigensinnig – ein Esel eben.

Der Mann hatte nun die Krippe aufgestellt und das Bündel ausgepackt. Der kleine Junge, ein Baby noch, streckte sich in der Krippe und freute sich. Der Ochse, neugierig wie er war, kam gleich zur Krippe und streckte sein breites Maul dem Kind entgegen.

Der Esel aber war in seiner Ecke geblieben und sah sich das ganze aus der Entfernung an.

Er dachte nach. Einerseits war es für ihn wichtig sich auszuruhen, anderseits regte sich aber auch seine Neugier. Immerhin war es seine Krippe, in der das Baby lag. Und von weitem schien so etwas wie ein schwacher Schimmer von dem Säugling auszugehen.

Langsam ging der Esel doch herüber und schaute sich das Kind aus der Nähe an. Als das Kind den Esel sah, tat es einen freudigen Quiekser und versuchte, die langen Ohren mit seinen Händchen zu fassen.

Der Esel sah in die weit offenen, wachen Kinderaugen und bei diesem Blick fuhr es in ihn wie ein leises Beben, durch und durch.

Es war ihm, als würde sein Innerstes nach außen gekehrt, und etwas brach in ihm auf, ein für alle Male.

Er erkannte, dass dieses Kind mehr an sich hatte, als es dem Schein nach aussah. Das Kind streichelte tapsig die weichen Nüstern des Esels und er ließ es mit einer für ihn ganz neuen Geduld gewähren.

Der Mann und die Frau, Maria und Josef, sahen das und freuten sich, wie sich nur Eltern freuen können.

 

Von den weiteren Ereignissen in dieser Nacht bekam der Esel nicht mehr so viel mit, so sehr war er mit sich selbst beschäftigt.

Aber seit dieser Nacht war der Bauer, dem der Esel gehörte sehr überrascht, denn der Esel war nicht mehr störrisch und trug alle Lasten, die der Bauer ihm auflud, willig und er war stets friedlich.

Niemals bekam er mehr Schläge und es heißt, dass dieser Esel der Großvater jenes Esels war, mit dem Jesus viele Jahre später durch die Tore der Stadt Jerusalem ritt.

 

Sonja Alex

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